Rund um Echternach:

Sagen, Märchen, Legenden und Geschichten

(Quelle: http://www.zeno.org - Zenodot Verlagsgesellschaft mbH)


Der Zauberer Veit


In dem eine halbe Stunde weit unterhalb Echternach, ganz in der nordwestlichen Ecke des Steinheimer Waldes gelegenen Ort »Wann« befinden sich drei merkwürdige Felsen: die Veitslei, das Veitsloch und die Veitskammer. Dieser Ort war, wie die Sage berichtet, der Aufenthalt des berüchtigten Zauberers Veit, der hier im Steinheimer Wald sowie auch in der ganzen Umgegend seine tollen Streiche spielte. Vermittels eines Zaubergürtels, den er um die Lenden trug, konnte er sich in jede beliebige Gestalt verwandeln, je nachdem der Streich war, den er ausführen wollte.

Ein besonderes Vergnügen fand er daran, die Kraut sammelnden Weiber im Steinheimer Wald zu necken. Kamen diese müde und keuchend mit schwerbeladenen Hotten daher und suchten nach einem geeigneten Platz, um auszuruhen, dann geschah es zuweilen, daß sie am Rand des Weges einen Baumstamm liegen fanden, der sich prächtig zum Sitzen eignete. Doch sieh da! während sie sich niedersetzten, rollte der tückische Stamm unter ihnen weg und sie fielen rücklings mit ihren Hotten zur Erde nieder. Dann sprang plötzlich der Zauberer Veit neben ihnen auf, lachte, daß er sich die Seiten hielt, und sagte spöttisch: »Jetzt könnt ihr sagen, ihr hättet auf dem Veit gesessen.«

Ein Mann aus Steinheim kehrte einst in später Nacht durch den Krimmeter Pfad von Echternach nach Hause zurück. Als er ungefähr noch einige hundert Schritt vom Krimmeter Kreuz entfernt war, hörte er hinter sich oder, wie andere berichten, von oben aus der »Wann« her, mit hohler, gespensterhafter Stimme rufen: »He! wart ein wenig, ich geh mit!« Es grauste dem Manne; allein er blieb stehen und sprach: »Nun, so komm!« Und sieh da! plötzlich saß auf seinen Schultern ein Reiter von ungeheuer schwerer Last, den er keuchend an dem Krimmeter Kreuz vorbei bis in die sogenannten »Lossen« oder, nach einem andern Bericht, bis zu dem hart am Eingang von Steinheim befindlichen Theisebur tragen mußte. Das soll nach der Meinung einiger Leute wiederum der schalkhafte Veit gewesen sein.

Veits tolle Streiche wurden zuletzt dem Hochgericht von Echternach bekannt, welches sogleich Häscher aussandte, um ihn gefangen zu nehmen. Nach langem Suchen gelang es denselben endlich, den Zauberer zu erhaschen. Schon legten sie ihm die Ketten an, um ihn zu binden, da stand plötzlich zwischen ihnen ein wilder Dornstrauch, der mit Ketten behangen war und dessen Dornen ihnen tief in die Finger drangen. Bald darauf wurde Veit ein zweites Mal gefangen genommen. Diesmal ließ er sich von den Häschern binden und vor das Hochgericht, ja sogar bis an den Galgen führen. Als der Henker ihm aber den Strick um den Hals legte, sprach er spöttisch: »Was nützt es, mich zu hängen? Wenn ihr mich hängt, so hängt ihr nur ein Bündel Stroh!« Und wirklich, als man den Zauberer hinaufgezogen hatte, hing nur ein Bündel Stroh an dem Galgen. Die Herren des Hochgerichts ließen aber nicht zweimal mit sich spassen. Als es ihnen gelang, den Hexenmeister ein drittes Mal einzufangen, da ließen sie einen Scharfrichter von Trier kommen, der in allem, was die Behandlung von Hexen und Hexenmeistern betraf, wohl erfahren war. Dieser untersuchte den Zauberer von oben bis unten und nahm ihm geschickt, ehe dieser sich es versah, den Zaubergürtel ab. Nun war des Zauberers Macht gebrochen. Er wurde aufgehängt und diesmal hing der wirkliche Veit am Galgen.


Lehrer M. Bamberg zu Steinheim
Quelle: Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 373-374.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007870078
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